Kurzgeschichten
Was ist Freundschaft? / Kurzgeschichte
Als ich heute anfing, mit dem Bügeleisen die Falten aus meiner Wäsche zu bügeln, dachte ich an meine allerbeste Freundin. Sie hat so gerne gebügelt und mich immer ausgelacht, wenn ich das Bügeleisen am liebsten in die Ecke geworfen hätte.
Ich muss leider sagen, dass sie gerne gebügelt hat, denn sie lebt schon seit 16 Jahren nicht mehr.
Ich denke oft an sie. Wir lernten uns schon als Babys kennen. Fünfzig Jahre lang war sie meine allerbeste Freundin.
Sie war ein toleranter liebenswerter Mensch und hat mich und mein Leben wohlwollend begleitet. Meine Familie gehörte zu ihrem Leben und ich zu ihrer Familie. Bereits als Kinder verbrachten wir fast jeden Tag miteinander.
Durch sie lernte ich meinen Schatz kennen.
Sie hatte nicht lockergelassen und uns miteinander verkuppelt. Ihre Menschenkenntnis hatte ihr signalisiert, dass er und ich füreinander geschaffen waren. Inzwischen verdanken wir ihr 50 glückliche Ehejahre.
Ich bekam meinen Sohn sehr früh, sie den ihren recht spät. Sie studierte und wurde Lehrerin und ich eine total glückliche Ehefrau und Mutter.
Eigentlich waren wir uns nicht so besonders ähnlich, aber wir verstanden uns trotzdem ganz wunderbar. Wir erlebten die Tiefen und Höhen in unserem Leben miteinander, stützten uns in schweren Zeiten und freuten uns miteinander in den guten Tagen.
Wir haben uns geachtet und respektiert und uns einfach von Herzen gemocht.
Als sie relativ jung, ganz plötzlich verstarb, brach eine Welt für mich zusammen. Sie lag einige Tage im Koma und ihre Familie erlaubte es mir, an ihrem Bett zu sitzen. Ich habe ihr von unserer schönen Zeit erzählt und mich für ihre wunderschöne Freundschaft bedankt. Auf ihrer Beerdigung wurde diese Herzens-Freundschaft erwähnt, was mich glücklich und stolz gemacht hat.
In den letzten Monaten dachte ich noch mehr als sonst an sie.
Die Corona Krise hat mir Menschen von einer Seite gezeigt, die ich oft lieber nicht gesehen hätte.
Vieles, was sie von sich gaben, war so überhaupt nicht mein Gedankengut. Am Anfang habe ich bei Facebook noch auf Posts, die mir vollkommen fremd waren, geantwortet. Ich musste dann feststellen, dass ich heftig angegangen wurde, und ich ließ es bleiben, meine Meinung kundzutun. Diejenigen, die davon predigen, jeder darf seine Meinung haben, wollen aber oft nur, dass jeder ihre Meinung vertritt. Wenn es nicht so ist, dann werden sie ausfallend und beleidigend. Das wollte ich mir nicht mehr antun. Außerdem habe ich bemerkt, es tut mir nicht gut, mich mit einem Gedankengut zu befassen, das ich in keiner Weise nachvollziehen kann.
Meine wunderbare Freundin hat mir damals schon gezeigt, wir müssen nicht immer die gleiche Meinung haben, um so liebevoll befreundet zu sein. Ich nenne einige Menschen meine Freunde, deren Gedankengut in gewisser Hinsicht nicht dem meinem entsprechen. Aber dennoch liebe ich ihre weiche und hilfsbereite Seite. Ich schätze die schönen entspannten Stunden, die wir miteinander verbracht haben und hoffentlich noch weiter verbringen werden.
Krisenzeiten sind manchmal schwierig,
was den Umgang mit anderen Personen angeht. Wir Menschen sollten aber schon differenzieren, ob man eine gemeinsame Einstellung zu vielen Dingen im Leben hat und nur in einigen Gedankengängen keine Einheit erzielen kann. Ich habe mich schon lange dafür entschieden, den „Ganzen Menschen“ zu sehen und nicht nur einige Gedanken und Auffassungen. Es muss ja nicht zu meinem Gedankengut werden. Denn, um einige Gesichtspunkte einfach nur nachzuplappern, dafür bin ich eine zu starke Person und stehe zu meiner Meinung und Erfahrung. Eine gute Freundschaft hält es aus und man muss über Dinge, die nicht den eigenen Gedanken entsprechen, auch keine großen Diskussionen führen.
Bei Facebook halte ich mich sehr zurück, obwohl es mir manchmal in den Fingern juckt, meine Meinung zu schreiben. Dafür ist mir meine Lebenszeit aber inzwischen zu schade. Meine liebe Freundin sagte immer: „Nur nicht ignorieren.“ Sie meinte damit, es hat keinen Zweck, sich mit Menschen anzulegen, die nur ihre Meinung zulassen. Die merkwürdig reagieren, vertritt man selbst nicht ihre Meinung. Solche Menschen kann ich inzwischen sehr gut loslassen. Aber nur dann, wenn sie von mir erwarten, ich müsste ihrem Gedankengut folgen. Das hat für mich nichts mit Freundschaft zu tun.
Ich wünsche euch allen eine Freundin,
wie ich sie 50 Jahre lang haben durfte. Tolerant und liebevoll. Ich hatte das Glück, bin dankbar und immer noch traurig, dass wir nicht mehr als alte Damen auf einer Bank sitzen können, um zu sagen: „Weißt du noch, damals?“
Dieser Wunsch, den wir gemeinsam hatten, erfüllt sich nicht. Aber das Gefühl, wie wichtig eine gute Freundschaft ist, habe ich durch sie erfahren dürfen. Und genauso pflege ich meine langjährigen und neuen Freundschaften auch heute noch. Ich hoffe, meine Freunde sehen das auch so, glaube es aber schon.
Jutta Reinert
Bücher
Schwiegermütter machen dick
Mama, ab heute heißt du Oma
Am Ende steht ein neuer Anfang
Ich bin gegangen von Jutta Reinert
Die kleinen Falten am Morgen
Gestern rief mich eine langjährige Freundin aus Deutschland an. Sie hatte mir vor einigen Wochen ein Foto geschickt, auf dem ich ihren Mann und sie bewundern konnte. Ich hatte ihr gesagt, wie gut und jugendlich sie doch noch aussehen würde.
Am Telefon klang sie jetzt aber irgendwie traurig, fast schon verbittert. Ihr Mann hatte ihr in einem Streit vorgeworfen, dass er ihr so langsam das Alter ansehen würde. Nun ja, sie ist in meinem Alter und mit 67 Jahren sind wir nicht mehr taufrisch. Wir haben die längste Strecke unseres Lebens hinter uns und überall zeigen sich kleine Abnutzungserscheinungen. Der Motor läuft zwar noch recht gut, aber die kleinen Dellen an der Karosserie sind schon zu sehen.
Ist das wirklich so schlimm?
Sind es nicht die Fältchen, die uns und natürlich auch anderen zeigen, dass wir gelebtes Leben hinter uns haben?
Ich bin überhaupt kein Gegner davon, wenn Frau oder auch Mann sich dafür entscheidet, einige Fältchen verschwinden zu lassen, mithilfe eines Chirurgen oder eben anderer Methoden, von denen es ja einige gibt. Ich habe viele Jahre in meinem eigenen Kosmetikstudio gearbeitet und weiß daher, wie viele Frauen unglücklich über Fältchen oder gar Falten sind. Schlimm finde ich allerdings die maskenhaften Gesichter, die bei den Eingriffen manchmal entstehen, wenn die Korrektur nicht gut gemacht wurde.
Ich selbst würde an mir zwar nichts machen lassen, aber das ist meine Einstellung. Und ich habe das Glück, zwei tolle Frauen als meine Vorbilder zu haben. Meine liebste Omi und meine großartige Mutter. Zwei Frauen, die mit ihren teilweise vielen Fältchen glücklich durchs Leben gingen.
Meine Mama hatte das ganze Gesicht voller kleiner Plissee-Falten, wie sie immer fröhlich verkündete. Sie war bis ins hohe Alter eine fröhliche, positive und sehr schöne Frau, trotz der Runzeln in ihrem Gesicht. Mein Vater liebte sie bis zur letzten Minute seines Lebens. Er sah ihre Plissee-Falten nicht. Er sah nur ihre wunderbare Lebensart, ihre Schönheit und Ausstrahlung, die auch durch Falten nichts an ihrer Lebendigkeit verloren hatten.
Meine Omi war auch so ein liebevoller, wunderbarer Mensch, deren Güte in den Augen abzulesen war. Diese kleine zarte Frau war so voller Lebensbejahung und ist in Würde alt geworden, nur mit Nivea-Creme.
Aber zurück zu meiner Freundin.
Sie war verzweifelt über die Aussage ihres Mannes und hatte Angst, ihre große Liebe an eine Jüngere zu verlieren. Sie wollte sich nun unters Messer legen, um für ihn wieder schön zu sein. Würde sie ihn damit halten können, stellte sich hier die Frage? Waren es wirklich die kleinen Veränderungen in ihrem Gesicht, die ihn zu seiner Aussage gebracht hatte?
Ich konnte es mir nicht vorstellen. So oberflächlich kannte ich ihn nicht. Ich fragte meine Freundin, ob sie mit ihm über ihre Ängste gesprochen hätte. Nein, hatte sie nicht. Sie hatte ihm auch nicht gesagt, wie sehr seine Worte sie getroffen hatten. Sie meinte, damit würde sie ihn doch erst recht darauf aufmerksam machen, dass sie gealtert wäre. Zum Glück konnte ich sie davon überzeugen, ein Gespräch mit ihm zu suchen.
Ich blieb nach dem Telefonat etwas traurig und sehr nachdenklich zurück. Wie unwichtig sind diese Äußerlichkeiten eigentlich? Ich weiß es ja von meinen Kundinnen von damals und heute auch von meinen Leserinnen, dass viele Frauen sich mit dem älter werden schwertun. Es muss aber doch nicht gleich der Chirurg sein, bei so vielen ungefährliche Möglichkeiten, die Haut schön und gepflegt zu erhalten. Klar, manchmal hilft auch keine Creme. Manche Frauen haben ein schwaches Bindegewebe und die Erdanziehungskraft ist am ganzen Körper zu sehen, leider auch im Gesicht.
Als ich heute Morgen aufstand,
dachte ich an meine Freundin, stellte mich im Bad vor den Spiegel und schaute mich ganz genau an. Ja, ich erkannte die Spuren des Alters auch in meinem Gesicht. Ich zog die Fältchen um meinen Mund ein wenig zur Seite und fragte mich, ob ich so besser aussehen würde.
Eine leise Stimme flüsterte mir zu: „Du musst dringend etwas machen lassen, du wirst auch nicht jünger.“
„Rede du nur, du blöde Stimme, ich bin ganz zufrieden mit mir“, sagte ich zu meinem Spiegelbild. Ich grinste in mich hinein. Hörte ich jetzt schon Stimmen? Dann würde ich wirklich alt.
Ungeduscht und fern der Heimat rannte ich aus dem Bad und genau in die Arme meines Mannes. Der drückte mich liebevoll an sich, strich durch meine zerzausten Haare und flüsterte in mein Ohr: „Guten Morgen, meine Schöne.“ Genau das hatte ich jetzt gebraucht, seine Liebe und Wärme zu spüren.
Nun, seine Schöne, nämlich ich,
sauste nun doch schnell unter die Dusche, gut eincremen, Haare machen und ein leichtes Make-up auflegen. Ich bekam mein Lächeln kaum noch aus dem Gesicht. Es ist so schön, mit meinem Mann alt zu werden. Er liebte mich mit ein paar Pfunden zu viel, mit kleinen Fältchen im Gesicht, einfach so, wie ich bin.
Ich weiß, das können nicht alle Frauen von sich behaupten und ich danke wieder einmal für unsere liebevolle und fröhliche Ehe. Ich muss keine Angst davor haben in gut zwei Jahren siebzig zu werden. Ich darf mich in meiner Haut wohlfühlen. Wobei, ganz ohne Hilfsmittel komme ich auch nicht aus. Ich färbe meine Haare, nutze gute Pflegeprodukte, die übrigens nicht teuer sein müssen, und nutze Make-up. So kleine Hilfsmittel dürfen wir uns schon erlauben und wer möchte, macht noch etwas mehr. Das kann nur jeder für sich selbst entscheiden. Aber wie ich durchs Leben gehe, ob positiv oder negativ, das liegt an mir selbst. Oft habe ich festgestellt, dass vermeintlich negative Dinge, sich später als positiv für mich entwickelt haben.
Apropos, vorhin rief meine Freundin wieder an und ihre Stimme klang fröhlich. Sie war meinem Rat nachgekommen, hatte ihren Mann angesprochen und ihm ihre Ängste erklärt. Der war total verblüfft, hatte er den Streit doch schon längst vergessen. Er will auf keinen Fall, dass sie sich operieren lässt. „Du bist so eine schöne Frau und ich liebe alles an dir“, hatte er zu ihr gesagt. Es tat ihm entsetzlich leid, durch seine unbedachten und in Wut ausgesprochenen Worte so viele Ängste und Selbstzweifel in ihr ausgelöst zu haben. Sie werden zum Glück weiterhin eine gute Ehe führen.
Vielleicht habt Ihr Lust mir zu schreiben, wie Ihr mit den kleinen oder großen Fältchen umgeht. Ob sie euch so sehr stören, dass sie zu einem Problem werden.
Ich wünsche Euch eine gute Zeit und hoffe, Ihr verliert auch in diesem, durch Corona erschwerten Zeitraum, Eure positive Lebenseinstellung nicht. Denn wie sagte meine Oma immer: „Wahre Schönheit kommt von innen.“ Ich finde, sie hatte recht.
Jutta Reinert
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Schwiegermütter machen dick
Mama, ab heute heißt du Oma
Am Ende steht ein neuer Anfang
Ich bin gegangen von Jutta Reinert
Wenn Mütter nicht mehr wissen, was sie tun sollen
Gestern in Denia gesehen und gehört. Mein Mann und ich saßen in einem Café in der Nähe des Hafens. Die Inhaberin hielt sich an die derzeit geltenden Richtlinien wegen Covid 19. Es stand eine Desinfektionsflasche am Eingang. Ich sah auch, wie die Kellnerin den gerade benutzten Tisch und die Stühle desinfizierte. Der Tisch stand im Schatten, was bei der momentanen Hitze angenehm war. Also setzten wir uns dort hin. Am Nebentisch saß ein Deutsch sprechender Vater mit seinem Sohn, etwa 12 bis 13 Jahre alt und einem süßen kleinen Mädchen, das vielleicht 8 Jahre alt sein mochte. Der Vater trug eine normale OP-Maske, der Junge und das Mädchen jeweils eine Stoffmaske. Die Kleine nahm ihre Maske kurz ab, schaute sie mit einem Lächeln an und meinte: „Sie ist so niedlich, Papa. Danke, dass du sie mir gekauft hast“. Ich schaute etwas genauer hin und musste zugeben, sie sah tatsächlich niedlich aus in dem hellen Rosa mit den roten Herzen. Papa lächelte liebevoll und sagte: „Gerne, mein Schatz.“
Mein Mann und ich grienten uns an,
wir fanden beide den blonden Lockenschopf so süß. Sie erinnerte uns ein wenig an unsere Enkelin, als sie klein war. Sie hätte es damals sicher auch super gefunden, so eine süße Maske zu tragen. Obwohl ich natürlich froh bin, dass sie und ihr Bruder es als Kinder nicht mussten. Heute sind sie erwachsene junge Menschen und ich bin sehr stolz auf sie. Natürlich finden sie es nicht wahnsinnig toll, heute eine Maske tragen zu müssen, aber sie meckern nicht, sondern erkennen den Sinn der Maske an. Mein süßes Friesenpüppchen muss durch ihren Beruf die Maske sogar während des ganzen Tages tragen. Aber nie hören wir negative Aussprüche von ihr oder gar Hass und Hetze, weil es angeblich kein Corona Virus gibt und die Menschen nicht daran sterben – sie aber trotzdem eine Maske tragen muss.
In die ganze Idylle am Tisch neben uns platzte plötzlich eine hübsche blonde Frau, die mit vielen Einkaufstüten beladen war. Sie zerrte ihrer Tochter die Maske vom Gesicht und schimpfte: „Ihr wisst doch, ich bin dagegen, dass ihr eine Maske tragt.“ Auch der Sohn wurde herrisch angewiesen, seine schwarze Maske mit Totenköpfen drauf sofort abzusetzen. Huch, was war denn da los?
Wir schauten etwas erschrocken.
Der Sohn sagte ganz ruhig: „Nein, Mama! Ich setze eine Maske auf. Du kennst meine Meinung und ich werde jetzt nicht mehr mit dir diskutieren. Wenn die Schule wieder anfängt, werde ich sie eh tragen müssen.“
Die Kleine sagte nichts. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie ihre Maske streichelte. Ich hatte den Eindruck, sie mochte dieses Stück Stoff.
Auch der Mann sagte zuerst nichts. Dann nahm er die Hand seiner Frau und meinte: „Ich bin Arzt. Glaubst du wirklich, ich würde etwas machen, was unseren Kindern schaden könnte?“
Die Frau wurde ganz ruhig und legte ihre Hand auf seine Wange: „Nein, das glaube ich nicht, aber ich bin nun mal gegen diese schrecklichen Masken. Obwohl, genau weiß ich es eigentlich nicht. Man liest nur so schrecklich schlimme Dinge.“
Das kleine Mädchen stand auf, umarmte ihre Mama und sagte: „Du passt eben auf uns auf, weil du uns lieb hast“.
Mir ging das Herz auf, als ich die Kleine hörte. Sie und ihr Bruder hatten längst verstanden, dass die Mama zwischen zwei Stühlen saß. Ihr Mann plädierte als Arzt für die Maske und im Internet las sie so viele Gruselgeschichten darüber.
Die Kellnerin brachte dem netten Vater mit seinen Kindern drei große Eisbecher. Die drei machten sich lachend über die Eisbecher her. Die Mama bestellte sich auch so einen großen Eisbecher und erfreute sich an ihrer Familie. Abwechselnd streichelte sie ihre Kinder und ihren Mann. Sie hatte natürlich bemerkt, dass wir alles mitbekommen hatten, obwohl die Tische etwas weiter auseinanderstanden, als wir es sonst gewohnt waren. Sie lächelte verlegen zu uns rüber. Wir lächelten zurück.
Die freundliche Kellnerin fragte nach unseren Wünschen und schon bald hatten wir einen fantastisch duftenden Kaffee und ein leckeres Stück Kuchen vor uns stehen.
Der Papa hatte wohl bemerkt,
dass auch wir Deutsche waren und wünschte uns einen guten Appetit. Wir bedankten uns freundlich.
Als die Mutter aufstand, um in das Café hinein zu gehen, nahm sie eine Maske aus ihrer Tasche und bedeckte damit Mund und Nase. Sie blieb an unserem Tisch stehen und meinte: „Ich bin sonst nicht so eine Furie, aber ich habe schreckliche Angst vor dem Virus UND vor der Maske. Man liest so viele schreckliche Dinge. Mein Mann ist Arzt, der sollte wohl wissen, ob es besser ist, eine Maske zu tragen.“ Sie zog die Schultern hoch und ging weiter. Wir merkten ihr an, wie unwohl sie sich fühlte und nicht wirklich wusste, ob sie sich richtig verhalten würde.
Ja, Corona spaltet die Menschen. Es ist traurig! Freundschaften leiden darunter oder gehen sogar deswegen auseinander. Obwohl ich es besser finde, ehrlich zu sagen, unsere Wege müssen sich trennen, bevor wir uns gegenseitig nicht mehr guttun. Aber Familien? Wie herzbewegend ist das denn, wenn Mütter und Väter, die sich nicht einig sind, ihre Kinder darunter leiden lassen?
Ich bin einfach nur glücklich und dankbar, dass ich meine Familie habe und wir auch in Krisenzeiten zusammenhalten.
Die kleine Familie verlies die Terrasse des Cafés, alle mit Maske vor Mund und Nase! Wir konnten ihre Augen lächeln sehen, als sie sich bei uns liebenswürdig verabschiedeten. Die Kleine drehte sich noch einmal um und winkte uns zu.
Mein Mann und ich freuten uns,
als wir sahen, wie Mama und Papa Arm in Arm liefen. Die Tochter bei Mama an der Hand, der Große eng am Papa, der leicht seinen Arm um die Schulter seines Sohnes legte.
So sollte eine Familie funktionieren, nicht immer einer Meinung sein, aber zu Kompromissen bereit. Kein Hass, keine Hetze, sondern innere Verbundenheit. Wir hatten nicht das Gefühl, die Kinder würden durch die Maske schrecklich leiden, wie so oft von Besserwissern geschrieben wird. Sie erschienen uns eher durch die Mutter verunsichert. Und die Mama, die ihre Kinder lieb hat, will nur das Beste für ihre Schätze. Aber sie schien sich eben unsicher zu sein, was das Beste für ihre Kinder ist. Ich kann das gut verstehen.
Wir würden natürlich auch lieber ohne Maske leben. Unserer Meinung nach macht es aber Sinn, eine Maske zu tragen. Es muss jedoch nicht jeder unsere Meinung teilen, aber uns unsere Meinung lassen, ohne dafür beschimpft zu werden.
Wir leben weder in einem Kokon, noch sind wir Schlaf-Schafe oder sehen die Realität nicht. Jeder kann seine Meinung vertreten, muss das aber wirklich in Hass und Hetze ausarten?
Jutta Reinert
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Schwiegermütter machen dick
Mama, ab heute heißt du Oma
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Ich bin gegangen von Jutta Reinert
Dick oder dünn? Kurzgeschichte
Als ich heute einkaufen war, habe ich mich mal wieder über die Gattung Mensch gewundert oder besser, über die Gattung Frau.
Ich schob den recht schweren Einkaufswagen zu meinem Auto, neben dem drei Damen standen. Waren es wirklich Damen?
Sie unterhielten sich lautstark über eine andere, scheinbar nicht anwesende Frau. Es waren keine netten Dinge, die sie über die angebliche Freundin von sich gaben. Sie benutzten zwar das Wort Freundin, es passte allerdings nicht zu dem, ich nenne es mal Klatsch, den sie über die abwesende Dame ausschütteten. Da kamen Beanstandungen wie: Die muss mal auf sich achten, ein bisschen was aus sich machen, man schämt sich ja, sie Freundin zu nennen.
Ich schaute mal ein bisschen genauer hin und bemerkte, dass alle drei einen gepflegten, ja wirklich schicken Eindruck machten. Das Auto, an dem die sehr schlanke Frau angelehnt war, gehörte der gehobenen Mittelklasse an. Sprich, es war ein BMW Cabrio, das in der Sonne glänzte.
Die abfälligen Worte wollten irgendwie nicht zu den Grazien passen, obwohl sich die dickere Frau nicht dazu äußerte und nur still zuhörte. Ihr Leises: „Sie hat ja auch nicht so viel Geld wie ihr“, wurde nicht beachtet. Ich gebe zu, ich wurde ein bisschen neugierig und packte meinen großen Einkauf etwas langsamer ein.
Die etwas mollige Mittfünfzigerin
oder sollte ich doch eher sagen, die relativ dicke Frau? Allerdings war auch sie äußerst gepflegt, mit einem sehr hübschen Gesicht und wundervollen Haaren. Etwas hämisch wurde sie von der ganz Dünnen gefragt: “Hast du ein bisschen abgenommen?“ Als Antwort kam: „Ich glaube, ein bisschen.“
Gleich wurde sie zurechtgewiesen: „Ein bisschen reicht wohl nicht, zwanzig Kilo müssen wenigstens weg.“ Dieses überschlanke Wesen konnte recht haben, aber musste sie es wirklich so kalt und herzlos sagen? Die nicht in die Norm passende ziemlich Dicke zuckte etwas zusammen und sagte dann ganz kleinlaut: „Ja, ich weiß aber es ist so schwer.“
„Schwer ist es nur, wenn man keinen Willen aufbringen kann“, giftete die auch recht schlanke aber nicht überschlanke andere Frau. Ja, richtig, ihre Rundungen saßen an den richtigen Stellen. Was mir aber auffiel, war ihr maskenhaftes Gesicht. Sie schien sich wohl des Öfteren an Botox zu erfreuen, vielleicht war sogar schon das Messer an ihrem Gesicht gewesen.
Jeder wie er möchte, dachte ich so bei mir.
So langsam hatte ich meinen Einkauf in Box und Tüten verstaut, als die eben gedemütigte sehr runde Dame sich etwas unterkühlt verabschiedete. In Corona-Zeiten sollte man sich eh nicht in den Arm nehmen. Obwohl alle drei Damen weder Masken trugen, noch genügend Abstand hielten, blieb die Umarmung aus.
Ich schaute der molligen Dame nach, die zu ihrem schicken Auto ging. Sie packte ihre wenigen Einkäufe in den Kofferraum und setzte sich dann auf den Fahrersitz. Ein wenig schwerfällig sah es schon aus, wie sie ihre Pfunde in das Auto quetschte.
Und schon hörte ich die Überschlanke sagen: „Sieh dir das an, wie die sich quälen muss, um ins Auto zu kommen. Einfach nur widerlich.“
Die andere schüttelte den Kopf und meinte herablassend: „Sie könnte ja wirklich mal abnehmen, die platzt ja bald.“ Beide stimmten ein hässliches Gelächter an. Auf solche Freundinnen sollte man lieber verzichten.
Ich schüttelte etwas heftig meinen Kopf
und brachte meinen Einkaufswagen weg. Als ich zurückkam, schimpften sie immer noch über die zu dicke Frau. Auf der Rückfahrt dachte ich über das gerade Erlebte nach. Ich habe auch mal 15 Kilo mehr gewogen und war immer noch keine Elfe. Ich fragte mich, ob man auch über mich so gesprochen hat, als 15 Kilo mehr meine Hüften zierten? Ins Gesicht hatte es mir keiner gesagt.
Gehen Männer sich auch so an und sagen dem Freund, er solle mal endlich abnehmen? Ich weiß es nicht genau, aber vorstellen konnte ich mir so eine Situation bei Männern nicht.
Zu Hause angekommen kamen all meine Einkäufe in die dafür vorgesehenen Schränke und Schubladen. Das soeben Gehörte und Gesehene wollte mir nicht aus dem Kopf. Ich habe auch dünne und teilweise recht mollige Freundinnen und Bekannte.
Nie würde es mir einfallen, so hämisch über sie zu sprechen. Ich gebe zu, als ich 15 Kilo mehr wog, fühlte ich mich in meiner Haut nicht wohl und bin heute froh, sie los zu sein. Ich müsste noch mehr abnehmen, wenn ich der Norm der Medien und Modemacher entsprechen wollte. Aber wollte ich das wirklich?
Nein, nicht unbedingt. Ich war gerne ich und auf einige Kilos mehr oder weniger sollte es bei einem Menschen nicht ankommen. Es sei denn, es schadet der Gesundheit. Und mal ganz ehrlich, zu Rubens Zeiten wäre ich fast ein wenig zu dünn. Ich bin also nicht zu mollig, sondern nur in der falschen Zeit geboren.
Ein wenig schämte ich mich, der Gattung Frau anzugehören. Sind alle Frauen so? Nein, zum Glück habe ich liebenswerte und liebevolle Frauen in meinem Bekannten und Freundeskreis. Jeder sollte so aussehen, wie er es mag oder vielleicht auch nicht mag. Das Herz und die inneren Werte müssen stimmen. Ein paar Kilos zu viel an Gewicht tun anderen Menschen nicht weh, verachtende und herablassende Worte aber schon.
Deshalb schicke ich euch jetzt eine liebe Umarmung und ganz viele gute Worte. Bleibt alle gesund und genießt euer Leben.
Jutta Reinert
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Ich bin gegangen von Jutta Reinert
Ein kleiner Hund erobert seine Welt / Kurzgeschichte
Laut und schrill erklang die Klingel an der Haustür. Ich zuckte zusammen. Kamen jetzt etwa Menschen, die mich von meiner Mama wegholen wollen?
Die mich mitnehmen und nicht wieder zu meiner Mama zurückbringen? So wie es mit meinen beiden Schwestern und meinem Bruder geschehen war?
Ich kuschelte mich fest an meine hübsche Mama, die so weich war wie ein Sofakissen. Meine Mama hatte weißes, krauses Fell und fast schwarze Augen. Ich mochte sie sehr gerne, genauso wie die Menschen, bei denen wir wohnten. Sie waren nett und freundlich zu uns.
Aber ich glaube, ich sollte mich erst einmal bei Ihnen vorstellen. Mein Name ist Annabell und ich bin ein kleines weißes Pudelmädchen. Die Menschen, bei denen wir zu Hause sind, sagen, dass ich besonders hübsch und lieb bin, nur leider bin ich scheinbar für meine Rasse etwas groß geraten. Nun ja, was soll man da machen? Ich gerate eben ganz nach meinem Vater und nicht nach meiner zarten Mama. Vielleicht ist meine Größe auch der Grund dafür, warum mich noch keiner haben wollte. Wobei ich nicht traurig darüber bin, denn ich fühle mich hier recht wohl. Nur meine Geschwister vermisse ich schon sehr.
Ich hörte im Wohnzimmer Geräusche und laute Stimmen. Ich wusste, gleich würden meine Mama und ich geholt, und den Menschen, die gerade gekommen waren, vorgestellt werden. So war es schon öfter gewesen, und dann waren meine Geschwister nicht wiedergekommen. Und zum Schluss blieb ich mit Mama allein zurück. Ich war in der Zwischenzeit schon vier Monate alt, für einen Hund muss das schon ziemlich alt sein, denn unsere Menschen sagten immer.
„Wenn wir Annabell nicht bald verkaufen, dann wird sie zu alt, dann kauft sie keiner mehr.“
Auch gut dachte ich dann, es gefällt mir hier doch ganz prima.
Die Tür ging auf und die junge Frau, die von allen Sigrid genannt wurde, kam herein. Sigrid war immer besonders nett zu uns. Oft nahm sie mich auf den Arm, um mit mir zu schmusen, was mir gut gefällt. Sie schimpfte auch nur ganz wenig, wenn mir mal wieder ein kleines Malheur passierte und unter mir plötzlich alles nass war. Ich weiß ja, dass ich in den Garten gehen soll, um meine Geschäfte zu erledigen, aber man glaubt gar nicht, was es für einen kleinen Hund alles zu entdecken gibt. Und dann ist es meist auch schon geschehen, wieder ist ein kleines Bächlein entstanden.
Sigrid nahm mich auf den Arm und streichelte sanft über mein Fell. Meine Mama rannte hinter uns her, sie ließ mich nicht aus den Augen.
Im Wohnzimmer standen vier ziemlich große Menschen, die mich erwartungsvoll anblickten. Sigrid ließ mich auf den Fußboden hinunter und ich wusste nicht so recht, was ich tun sollte.
Also steckte ich erst einmal die Nase auf den Boden und tat sehr geschäftig.
„Ach Schatz“, säuselte die schon etwas ältere Dame, „der ist aber süß! Schau nur, wie er an meinem Schuh knabbert.“
„Niedlich ist sie schon“, antwortete ihr Mann, „aber für vier Monate schon ganz schön groß.“
Ich war genervt, jetzt ging das schon wieder los. Ich war eben nicht so klein wie meine Mama oder meine Geschwister. Aber wenigstens hatte der Mann schon mal festgestellt, dass ich ein Mädchen war.
Noch ein Wort über meine Größe und ich beiß dich in dein Bein, dachte ich, und sah mir den Mann mal etwas genauer. Er sah eigentlich recht freundlich aus. Was mir nicht so gut gefiel, war sein Fell im Gesicht. Die Menschen waren doch sonst immer ganz glatt im Gesicht. Komisch, dieser Mensch hatte Fell im Gesicht. Allerdings nur am Kinn und an den Wangen. Auch die Menschen sind eben nicht vollkommen, genauso wenig wie ein kleiner Hund auch.
Die Frau mit der sanften Stimme sagte: „Wie findet ihr die kleine Annabell, Kinder?“
Kinder sagte sie zu so großen Menschen, also, das wusste ich nun wirklich besser. Kinder waren ziemlich laute und kleine Wesen, und nicht so groß wie die beiden. Ich fand, sie sahen aus wie ganz erwachsene Menschen.
Die jüngere von den Damen nahm mich vorsichtig auf den Arm. Als sie mich an sich drückt, stieg ein angenehmer Duft in meine Nase. Sie roch so gut und sie hatte schöne helle Haare. Also, sie gefiel mir ausnehmend gut.
„Ich finde sie auch süß, Mama, wir sollten sie nehmen. Schau nur, wie lieb sie sich an mich schmust.“
Scheinbar war sie doch noch ein Kind, sonst würde sie ja wohl nicht Mama sagen.
Heimlich seufzte ich. Also gibt es das auch bei Menschen, dass die Kinder zu groß geraten, ging es mir durch den Sinn.
Der jüngere Mann sagte zu dem Mann mit dem Fell im Gesicht. „Ich finde Mairon und Mama haben recht, Papa. Sie ist wirklich süß. Ich finde es auch nicht schlimm, dass sie etwas größer ist.“
Ich schloss aus seinen Worten, dass er auch ein zu groß geratenes Kind war. Die beiden konnten mich also gut verstehen.
Es dauerte dann auch nicht mehr lange und der Kauf war perfekt. Ich gehörte von jetzt an den vier fremden Menschen, und ich wusste nicht, was auf mich zukam.
Meine Mama hatte ganz traurige Augen als die Frau, die alle Mama nannten, mich auf den Arm nahm und das Haus verließ.
Mein Herz klopfte ganz laut
Mein Herz klopfte ganz laut, ich hatte schreckliche Angst. Würde ich meine Mama nie wiedersehen?
Die Frau setzte sich in ein ziemlich großes Auto und drückte mich sanft an sich. Ich rollte mich auf ihrem Schoß zusammen und ließ mich von ihr streicheln.
Als das Auto fuhr, wurde mir ein wenig schlecht, obwohl ich zugeben muss, dass der Mann nicht sehr schnell fuhr. Ich war trotzdem froh, als wir nach relativ kurzer Zeit anhielten.
Es war ein schönes Haus mit einem großen Garten, in dem ich jetzt wohnen würde.
Im Wohnzimmer setzte die Frau mich auf einen hellen, weichen Teppichboden. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Wenn ich mich hier vergesse, dann wird es sicher ein Donnerwetter geben. Überhaupt sah alles sehr sauber und gepflegt aus. Ob ich mich hier wohl richtig benehmen konnte?
Alle vier Menschen setzten sich auf den Fußboden und sahen mir zu, wie ich mir meine neue Welt eroberte. Zuerst einmal beschnupperte ich alles, was in Reichweite meiner Nase war. Die Menschen waren ganz entzückt von mir. Es machte ihnen scheinbar großen Spaß, mich anzusehen.
Aber mein Name gefiel ihnen nicht, sie nannten mich ab sofort Sweety. Ich fand den Namen etwas albern, aber wenn sie glücklich dabei waren, dann sollten sie mich so nennen.
So nach und nach erfuhr ich, dass der Mann mit dem Fell im Gesicht Hergen hieß, und die Frau Johanna. Aber ich beschloss, sie wie die großen Kinder es auch taten, Mama und Papa zu nennen, das erschien mir so vertraut.
Die Kinder, die ja eigentlich keine waren, hießen Bernd und Mairon.
In der ersten Nacht sperrten sie mich in ihr Badezimmer ein. Allerdings stellten sie mir ein weiches Körbchen mit hinein. Sie streichelten mich alle zärtlich und ließen mich dann ganz allein.
Oh, war das schrecklich
Oh, war das schrecklich, so allein zu sein, ohne meine Mama und meine Geschwister. Nein, das konnte ich mir nicht gefallen lassen. Ich beschloss, herzerweichend zu weinen, und siehe da, es dauerte nicht lange, da stand Papa in der Tür.
„Was ist denn los, du musst doch schlafen Sweety“, schimpfte er mit mir. Ich zog den Schwanz ein und verzog mich in mein Körbchen. Aber lange hielt ich es nicht aus, ich wollte einfach nicht allein sein. Also fing ich wieder an zu weinen und zu jaulen.
Gott sei Dank dauerte es nicht lange, da stand Bernd in der Tür.
„Du willst nicht allein sein, oder?“, fragte er mich und nahm mich auf den Arm. Wie schön wäre es, wenn ich jetzt sprechen könnte, um ihm zu sagen, wie einsam ich bin und wie sehr ich mich fürchten würde, dachte ich traurig.
Ganz eng schmiegte ich mich an ihn und ein Seufzer von mir sollte ihn erweichen, mich mitzunehmen.
„Ich nehme dich mit in mein Zimmer, Sweety, aber du musst ganz leise sein, die anderen müssen es nicht unbedingt merken“, flüsterte er mir liebevoll zu.
Ich war erleichtert, endlich war ich nicht mehr allein. Und man stelle sich vor, ich durfte sogar auf seiner Bettdecke, ganz nah bei ihm schlafen. Das war so schön.
Als Mama uns am nächsten Morgen wecken wollte, wurde sie sehr böse mit Bernd und mir.
„Bernd!“, schimpfte sie, „ein Hund gehört nicht ins Bett, gewöhne es ihm nicht an.“
Schade dachte ich, im Bett gefällt es mir doch so gut, aber das wird jetzt sicher vorbei sein.
Doch was soll ich sagen, ich bin jetzt schon sieben Jahre bei meiner Familie, und ich schlafe manchmal sogar am Fußende von Mamas Bett, obwohl sie dann mit mir schimpft.
Aber sie schimpft so lieb
Aber sie schimpft so lieb, dass ich mich in der Nacht immer wieder in ihr Bett schleiche, wenn sie fest schläft.
Für einen kleinen Hund ist es nicht so einfach, wenn er in eine neue Familie kommt. Ich habe allerdings verdammt viel Glück gehabt, meine Familie geht ganz lieb mit mir um.
Ich weiß es von den Hunden, die ich auf der Straße treffe, nicht allen geht es so gut wie mir. Am liebsten würde ich sie alle mit zu mir nach Hause nehmen, aber ich glaube, dass würde Mama nicht erlauben.
Papa ist heute sehr froh, dass ich nicht so klein geblieben bin. Er sagt oft zu Mama: „Wie gut, dass Sweety nicht so klein ist, mit ihr kann man so richtig rumtoben, ohne dass sie gleich zusammenbricht.“
Überhaupt, im Geheimen ist Papa ja für mich der Liebste von allen. Aber das zeige ich natürlich nicht so deutlich, damit die anderen nicht traurig werden, denn sie haben mich alle sehr lieb. Das merke ich daran, wie sie mit mir umgehen.
Wenn Papa sich auf den Sessel setzt, warte ich nicht sehr lange und springe auf seinen Schoß. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter und versuche, mit meinem Pfötchen seine Hand zu erreichen. Ein sicheres Zeichen für ihn, jetzt möchte Sweety gestreichelt werden.
Dann lacht er mich zärtlich an und sagt zu mir: „Na gut, du kleiner Quälgeist, du willst wieder gestreichelt werden.“ Ach, Papa ist so lieb zu mir, und ich habe mich auch an sein Fell im Gesicht gewöhnt.
Bernd und Mairon wohnen jetzt nicht mehr bei uns, aber sie kommen mich oft besuchen. Letzte Woche brachte Mairon einen ganz kleinen Menschen mit. Mama war ganz verzückt und beachtete mich nicht mehr. Aber das lasse ich mir natürlich nicht gefallen. Ich ging zu ihr hin und stupste mit der Nase an ihr Bein. Ich setzte meinen treuesten Blick auf und schon lachte Mama mich an.
„Ist ja gut Sweety, du bist doch meine Beste.“
Na also, es geht doch! Ich bin eben doch wichtiger als der neue kleine Mensch.
Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist, wieso Papa die Mama jetzt immer neckt und kleine Omi zu ihr sagt. Manchmal ist er schon recht albern.
Wie schon gesagt, ich bin jetzt sieben Jahre bei meiner Familie. Mir geht es sehr gut bei ihr. Aber es gibt so viele Brüder und Schwestern, denen es nicht so gut geht.
Und darum möchte ich herzlich bitten, wenn Sie einen Hund sehen, dann gehen Sie lieb mit ihm um, denn auch ein kleiner Hund hat ein ganz großes Herz.
Jutta Reinert
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Schwiegermütter machen dick
Mama, ab heute heißt du Oma
Am Ende steht ein neuer Anfang
Ich bin gegangen von Jutta Reinert
Die Götter lassen dich nicht sterben, Bettina / Kurzgeschichte
Sanft setzte das Flugzeug auf, die Geschwindigkeit wurde stark abgestoppt und die Passagiere in die Sitze gepresst.
Bettina und Helmut von Langen hielten sich an den Händen und schauten sich tief in die Augen. Sie verstanden sich auch ohne Worte. Leicht drückte er die Hand seiner zarten blassen Frau, deren Haut schon fast ein wenig durchscheinend wirkte. Als sie das Flugzeug verließen, schlossen sie für wenige Augenblicke die Augen, gleißende Sonne empfing sie und hüllte sie mit ihrer Wärme ein.
Kreta, die Insel der Götter, der Sonne und der Liebe. Für Bettina und Helmut war es vor allem die Insel ihrer Liebe. Hier hatten sie sich vor mehr als zehn Jahren kennengelernt. Was als Urlaubsflirt begann, war das große Gefühl für ein ganzes Leben geworden.
Behutsam half er Bettina die Gangway hinunter. Als er sah, wie sie mühsam Schritt für Schritt die Stufen hinabstieg, klopfte sein Herz schmerzlich.
Was nutzt mir mein ganzes Geld, dachte er beklommen, wenn ich Bettina verliere. Wie unwichtig erschienen ihm in diesem Moment die Villa in der Nähe von Stuttgart und das Ferienhaus in Spanien. Wie wenig bedeutete ihm plötzlich die Fabrik für Damenbekleidung, die er zusammen mit seinem Bruder führte.
Von seinem Vater gegründet, war die ehemals kleine Fertigung unter seiner Führung gewachsen und hatte heute einen großen Stellenwert in der Bekleidungsindustrie. Jeder kannte ‚von Langen‘ Modelle.
Bettina ist krank
Seit zwei Monaten wussten sie, dass Bettina sehr krank war. Sie litt an Leukämie. Die Ärzte hatten ihnen nicht viel Hoffnung gemacht. Sicher, sie musste nicht gleich morgen sterben, doch so, wie es aussah, blieb ihr nicht mehr allzu viel Zeit. Sie stellten selbst fest, dass Bettina immer schwächer und anfälliger wurde.
Nachdem der Arzt ihnen den Rat gegeben hatte, ein mildes und warmes Klima würde Bettina ein wenig Lebenskraft zurückgeben, hatte er sich spontan entschlossen seine Geschäfte stehen und liegen zu lassen, um mit ihr nach Kreta zu fliegen.
Nicht nur für einen Monat, sondern für unbestimmte Zeit. Er hatte in einem kleinen Dorf, fernab von jeglichem Trubel, ein einfaches bescheidenes Häuschen gemietet.
Mit Vater und Bruder hatte er deswegen zu Hause sehr viel Ärger auf sich genommen. Sie konnten nicht verstehen, dass er die Fabrik für unwichtiger empfand, als Bettina ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, auf Kreta vielleicht die letzten Wochen oder Monate ihres Lebens zu verbringen.
Nur seine Mutter, die an der sanften stillen und fügsamen Bettina wie an einer eigenen Tochter hing, hatte sich hinter ihren Sohn gestellt und für Bettina wie eine Löwin gekämpft.
Selten hatte er seine Mutter so kämpferisch erlebt. Sie ordnete sich sonst ihrem dominanten, manchmal starrsinnigen Mann völlig unter. Oft glaubte er, seine Mutter müsse an der Härte ihres Mannes zerbrechen, doch still ertrug sie seine Launen. Helmut wusste, dass sie ihn auch heute noch liebte.
Die Abfertigung am Flughafen Heraklion war schnell erledigt. Sie nahmen sich einen Leihwagen und fuhren beinahe anderthalb Stunden ihrem ersehnten Ziel entgegen.
Das Häuschen lag mitten in den etwas kahlen Bergen an einen Hang gebaut. Bettinas Augen strahlten ihn an, als sie das Haus erblickte, welches weiß und sauber mit der Sonne um die Wette strahlte.
Erfrischender Wind
Indem sie ausstiegen, empfing sie ein angenehmer und erfrischender Wind. Sie erklommen eine etwas steile Treppe und standen dann auf einer großen Terrasse, auf der hübsche bunte Gartenmöbel standen. Von Deutschland aus hatte Helmut alles mit ihrem Vermieter geregelt, der sich freute, das Häuschen für einen längeren Zeitraum vermietet zu haben.
Helmut schloss die Haustür auf und schob Bettina hinein. Sie konnten ein geräumiges Schlafzimmer, ein hübsch eingerichtetes Wohnzimmer, eine kleine Küche, in der alles vorhanden war, und ein sauberes weißes Bad mit Beschlag belegen.
Bettina trat auf die Terrasse hinaus. Der Anblick, der sich ihr bot, begeisterte sie von der ersten Minute an. Als sie nach links sah, konnte sie in nicht allzu großer Entfernung das Meer erblicken. Es erschien ihr fast so blau wie der Himmel über ihr. An der rechten Seite, ganz nah, befand sich ein riesiges Bergmassiv. Außer ihrem Domizil gab es nur noch sehr wenige weitere Häuser, die sich an den Berg duckten.
Etwa dreihundert Meter entfernt entdeckte Bettina ein etwas verfallen wirkendes Haus, das sicher irgendwann einmal weiß gewesen sein musste, jetzt aber in einem schäbigen Grau der Sonne und dem Wind trotzte.
Sie sah Schafe und Hühner in einem provisorisch zusammengezimmerten Stall. Und obwohl alles einen ungepflegten Eindruck machte, erschien es Bettina seltsam vertraut und anheimelnd.
Helmut trat hinter sie und umfing sie zärtlich mit seinen Armen. Sie schmiegte sich eng an ihn, so als erwartete sie Stärke und Hilfe von ihm. Sie vertraute ihm mit jeder Faser ihres Herzens und war glücklich, wenn er in ihrer Nähe war.
„Schau mal, Helmut“, sprach sie ihn an, „dieses Häuschen da gegenüber zieht meine Blicke wie magisch an. Ich weiß nicht warum, aber es macht auf mich den Eindruck von Glück und Harmonie.“
Zärtlich lächelte er sie an. „Kleine Träumerin, da steht doch nur ein schäbiges halb verfallenes Haus, vor dem ein paar Hühner, Schafe und ein alter Mann dahinvegetieren. Aber wenn es dich glücklich macht, dann träume weiter. Nur du zählst für mich, und wenn du glücklich bist, ist die Welt für mich in Ordnung.“
Warm schaute sie zu ihm auf. „Ich fühle es, Helmut, hier an diesem Ort, auf der Insel unserer Liebe, werde ich wieder gesund werden. Und dann werde ich dir ein Kind schenken. Die kleine Tochter, die du dir immer gewünscht hast.“
Verloren schauten seine Augen in die Ferne. Wie schön wäre es, wenn ihre Worte stimmten und sie wieder gesund werden könnte. Ein Kind, ja, das hatte er sich gewünscht, aber wie wenig zählte dieser Wunsch, wenn er daran dachte, wie krank sie war.
Seit er sie kannte, war Bettina ein wenig kränklich und anfällig gewesen, und obwohl sie sich beide ein Kind gewünscht hatten, war ihre Hoffnung bis zum heutigen Tag nicht erfüllt worden.
Jeden Wunsch von den Augen abgelesen
In den nächsten Tagen umgab er Bettina mit großer Fürsorge. Er versuchte, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Manchmal fuhren sie den Berg hinunter, um Einkäufe zu erledigen, oder in eine einsame Bucht, um den lebhaften Wellen zuzusehen, wie sie sich an den Felsen, die die Bucht einhüllten, brachen oder langsam im weichen Sand ausrollten.
Eng aneinander gekuschelt schauten sie diesem Schauspiel immer wieder gerne zu. Nur selten gingen sie essen. Meistens bereiteten sie sich eine einfache aber schmackhafte Mahlzeit in der kleinen Küche zu, setzten sich nach draußen auf die Terrasse und genossen das schöne Wetter, die Sonne, den leichten Wind und die frische seidige Luft.
Bettina war nach wie vor sehr schwach und meist konnte sie nur geschützt auf einer Liege ruhen. Dabei sah sie manchmal vor dem gegenüberliegenden Haus den alten Mann auf der verfallenen Bank sitzen. Sein Hund, der ebenfalls schon recht gebrechlich wirkte, lag ihm zu Füßen. Selten fand Bettina den Mut, ihm zuzuwinken, und freute sich dann, wenn er seine Hand hob und zurückgrüßte.
Wieder begann ein neuer Tag wie alle vorherigen, seit sie auf Kreta weilten, mit herrlichem Sonnenschein. Sie hatten zusammen ihr Frühstück eingenommen und Helmut hatte darüber gewacht, dass Bettina brav ihre vorgeschriebene Medizin nahm. Danach brach Helmut auf, um im Dorf einzukaufen.
Bettina blieb alleine zurück. Wie gebannt schaute sie hinüber zu dem baufälligen Haus. Fast hypnotisch zog sie sich feste Schuhe an und schritt den beschwerlichen steinigen Weg entlang, der zu diesem Haus führte.
Wie an jedem Tag saß der alte Mann zusammen mit seinem Hund auf der Bank. Als er sie kommen sah, lachte er sie mit seinem zahnlosen Mund freundlich an. Der Hund hob nur kurz seinen struppigen graubraunen Kopf. Schüchtern trat Bettina näher und sagte leise: „Hallo!“
Der alte Mann klopfte mit der Hand auf die Bank und forderte sie auf, sich neben ihn zu setzen.
Bettina wunderte sich nicht, dass er sie auf Deutsch ansprach. Es war für sie irgendwie selbstverständlich, dass sie die gleiche Sprache beherrschten. „Ich heiße Bettina“, stellte sie sich vor.
Wieder lächelte der zahnlose Mund sie an, und in gebrochenem Deutsch lispelte er: „Ich habe dich schon oft vor dem schönen Haus gesehen. Warum bist du nicht schon eher zu mir gekommen? Ich weiß, dass du großen Kummer hast.“
„Jetzt bin ich hier!“, lächelte Bettina zurück. Voller Vertrauen erzählte sie ihm von ihrer Krankheit, von der großen Liebe zu ihrem Mann und von der Angst, die sie vom ersten Tag an vor ihrem harten Schwiegervater gehabt hatte.
„Bald werde ich sterben“, sagte sie traurig, „und dabei möchte ich noch so gerne leben. Ich bin doch gerade erst zweiunddreißig.“
Seine Augen blickten sie wissend an
„Du wirst nicht sterben, Kind. Ich weiß, du wirst leben. Bettina, die Götter lassen dich nicht sterben.“
Schmerzlich erwiderte Bettina seinen eindringlichen Blick. Es erschien ihr, als könne er ihr Inneres erkennen.
Sie blieb noch eine halbe Stunde bei ihm sitzen und fühlte sich seltsam geborgen in seiner Nähe. Bevor sie sich auf den Rückweg machte, legte er ihr noch eine Knolle in die Hand.
„Diese Knolle musst du schälen und dann drei Stunden bei schwacher Flamme kochen. Den noch warmen Saft trinkst du in kleinen Schlucken. Er nimmt alles Böse aus deinem Körper. Du wirst sehen, bald geht es dir besser. Komm jeden Morgen zu mir und hol dir eine frische Knolle. Da oben, hoch auf dem Berg, baue ich sie an. Es ist eine Wunderpflanze, die allen Schmutz aus deinem Körper herausholt.“
Bedächtig nickte er mit dem Kopf und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu sagen, in seinem Haus.
Langsam ging sie den Weg zu ihrem Haus zurück. Sie hatte das Gefühl, als würde die Knolle in ihrer Hand wie Feuer brennen, aber eisern hielt Bettina sie wie einen kostbaren Schatz fest.
In ihrer Küche machte sie sich sofort an die Arbeit. Sie setzte den Topf auf den Herd und schnitt die Knolle in kleine Stücke. Sie fügte Wasser hinzu und ließ alles aufkochen. Dann stellte sie die Flamme auf klein, genauso wie es seiner Anweisung entsprach.
Als ihr Mann nach Hause kam, war das ganze Haus in einen ungewöhnlichen Duft eingehüllt.
„Was kochst du da, mein Schatz?“, wurde sie von ihm gefragt.
Sie erzählte ihm, was sie erlebt hatte. Fast unwirsch sagte er daraufhin: „Du darfst aber auf keinen Fall deine Medikamente vergessen, du musst sie täglich einnehmen. Ich glaube nicht an diesen faulen Zauber. Es wäre mir lieber, du würdest nicht wieder dort hingehen.“
Sie hörte nicht auf ihn, sondern ging weiter immer zur selben Zeit zu dem alten, weisen Mann. Als Helmut die Knolle einmal sah, lachte er laut auf. „Na, der gute alte Herr ist ein Spaßvogel, die sieht ja aus wie Knollensellerie.“
„Das habe ich zuerst auch gedacht, aber sie riecht und schmeckt völlig anders. Es kann nicht Knollensellerie sein.“
Helmut sagte nichts mehr dazu, aber er begleitete Bettina auch niemals zum Nachbarhaus, obwohl sie ihn häufig darum bat.
Mit dem alten Mann verband sie inzwischen eine tiefe Freundschaft. Sie meinte, ihn schon ihr ganzes Leben lang zu kennen.
Täglich bekam sie eine Knolle von ihm, kochte sie und trank dann den bitteren Sud.
Nach vier Wochen stellte sie erste Veränderungen an sich fest. Sie hatte wieder guten Appetit und fühlte sich nicht mehr so leer und ausgebrannt. Die Spaziergänge, die sie mit Helmut unternahm, wurden länger und sie war seltener müde.
Auch Helmut bemerkte die Veränderungen
Er schob sie allerdings auf die Medikamente und die klimatische Umstellung.
Bettina blühte auf, sie nahm an Gewicht zu, ihre Haut war sanft gebräunt, die Haare wieder voll und glänzend.
Sie waren nun schon fünf Monate auf der Insel, als wieder einmal im Krankenhaus in Heraklion eine Blutuntersuchung anstand. Schon die letzte Untersuchung war wesentlich besser ausgefallen.
Bettina dachte kaum noch an ihre Krankheit. Es war inzwischen September geworden und noch immer war das Wetter warm und sonnig. In den vergangenen Monaten hatte es nicht einmal geregnet. Jeden Tag unterhielt sie sich mit dem alten Mann. Sie sprach mit ihm über ihre Ängste und Kümmernisse und er hörte ihr geduldig zu. Gemeinsam versuchte er, mit ihr zu ergründen, warum sie manche Dinge so schwernahm. Er gab ihr Anreize über sich selbst und ihr Leben nachzudenken. Und jeden Morgen holte er ihr eine neue Knolle vom Berg. Sie sah ihn mühselig den Berg hochgehen, um nach wenigen Minuten wieder hinunterzusteigen.
Auch an diesem Tag ging sie zu ihm. Sie war ängstlich, denn heute würde sie das Ergebnis der neuerlichen Untersuchung erfahren.
Der alte Mann strich ihr über das Haar. „Habe keine Angst, Bettina, du wirst nur Gutes erfahren. Du wirst mich nicht mehr brauchen. Du bist gesund.“
„Ich werde dich immer brauchen, du bist mein Freund. Wenn wir zurückkommen, wird es zu spät sein, dir zu berichten, wie das Ergebnis ausgefallen ist, aber gleich morgen früh werde ich wieder bei dir sein.“
Er sagte nicht ein Wort, sondern ging gebeugt in sein Haus zurück. An der Tür drehte er sich um, hob die Hand und lächelte ihr zu.
Im Krankenhaus erhielt Bettina eine wunderbare Nachricht. Ihre Blutwerte waren sehr gut.
„Meinen Glückwunsch“, sagte der Arzt auf Englisch. Er beherrschte die deutsche Sprache nur sehr spärlich. „Sie sind gesund! Wieder einmal hat die Medizin ein kleines Wunder vollbracht.“
Bettina verzog spöttisch ihre Lippen. Sie wusste, nur der alte Mann aus den Bergen hatte dieses Wunder wahr werden lassen.
Helmut war völlig aus dem Häuschen. Auf der Rückfahrt griff er immer wieder nach ihrer Hand, und als Bettina ihn bat, sie am nächsten Morgen zu ihrem Freund, dem alten Mann zu begleiten, stimmte er freudig zu.
Am kommenden Morgen sah Bettina ihn nicht den Berg erklimmen. Sie sah ihn auch nicht vor dem Haus auf der Bank sitzen, und fühlte im selben Augenblick, dass sie ihren besten Freund verloren hatte.
„Helmut“, rief sie ihren Mann, „lass uns schnell rüber laufen, es stimmt etwas nicht, vielleicht ist er krank. Er ist jeden Tag um die gleiche Zeit auf den Berg gestiegen, um mir die Knolle zu holen, und dann hat er vor dem Haus auf mich gewartet. Ich kann ihn heute nicht entdecken.“
So schnell ihre Füße sie trugen und der steinige Weg es erlaubte, rannte sie dem Haus entgegen.
Die Haustür stand offen, doch kein Geräusch war zu hören. Sie riefen laut nach ihm, erhielten aber keine Antwort. Das kleine Häuschen war leer. Auf dem wackeligen Holztisch fand sie einen Zettel, auf dem in kaum lesbarer Schrift geschrieben stand: „Die Götter haben dir geholfen, Bettina, du wirst mich nicht mehr brauchen.“
Der alte Mann kam nicht wieder
Alle Nachforschungen, die sie im Dorf betrieben, verliefen im Sand. Kaum einer hatte ihn gekannt.
Vor Jahren war er genauso plötzlich aufgetaucht, wie er jetzt verschwunden war. Nur der Bürgermeister wusste zu berichten, dass er das alte Häuschen vor vielen Jahren von seiner verstorbenen Tante geerbt hatte. Er war allen im Dorf ein wenig unheimlich gewesen, deshalb hatte man sich nicht um ihn gekümmert. Er war ein Einsiedler, den jeder mied.
Bettina wusste es besser. Er war ein einfühlsamer Mensch, der Dinge wusste und kannte, die den meisten Menschen verborgen blieben.
Manchmal dachte Bettina, wenn sie auf ihrer Terrasse stand und auf das alte verfallene Haus starrte: Vielleicht war er ein weiser Mann, den die Götter mir geschickt haben. Denn was hatte er mir bei unserer ersten Begegnung gesagt: „Die Götter lassen dich nicht sterben, Bettina.“
Voller Liebe schmiegte sie sich an ihren Mann und war dankbar, dass sie die große Liebe zu ihm weiterhin erleben durfte.
Jutta Reinert
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Ich bin gegangen von Jutta Reinert
Der Regenbogen des Lebens / Kurzgeschichte
Es ist fast magisch zu nennen, wenn wir Menschen einen Regenbogen am Himmel entdecken. Der Bogen mit den hellen Farben, der von der Erde bis in den Himmel geht, jedenfalls wirkt es so auf uns, erfasst unsere Sinne. Die meisten bestaunten diesen Regenbogen und sind glücklich, ihn zu sehen.
Unsere Geschichte beginnt in einem Land im Süden, in dem die Sonne die Menschen wärmt und die Tage ein bisschen heller erscheinen, als wir es in den dunkleren, nordischen Ländern erleben.
Eine Gruppe, sagen wir mal, etwas reiferer Damen, saß zum ersten Mal zusammen auf der überdachten Terrasse eines Lokals nahe am Mittelmeer. Die Stimmung war eher unterkühlt, man kannte sich noch nicht so gut und konnte die anderen Frauen nur schlecht einschätzen. Irgendwie wollte auch die Sonne ihre herrlichen Strahlen an diesem Tag nicht richtig zeigen. Der Himmel war bedeckt aber die Luft für Ende November immer noch recht warm.
Alle Damen verband aber eigentlich ein Ziel, sie wollten miteinander eine angenehme Zeit verleben, vielleicht ein wenig dem Alltag entfliehen und einfach nur freundlich und entspannt miteinander reden.
Man hatte sich vorher schon über die modernen Medien ein wenig beschnuppert und dabei festgestellt, dass nicht alle der anderen etwas älteren Mädels den eigenen Vorstellungen entsprachen. Jede von ihnen hatte ihr Leben bis dahin gelebt und so manches schwere Päckchen tragen müssen. Es war in diesen Medien auch schon mal etwas heftiger zugegangen und böse Worte waren geschrieben worden. So herrschte zwischen einigen Frauen ein etwas schwieriges Verhältnis.
Sie lebten ja auch in den unterschiedlichsten Welten.
Mit einem Partner, allein, sogar mit der ganzen Familie oder mit einem kleinen Hund, der ihr Leben bedeutete. Die einen standen sehr früh auf, andere machten die Nacht zum Tag und schliefen dann morgens gerne etwas länger.
Die eine Frau war in ihrer Gefühlswelt eher ein wenig überschwänglich, was ruhigere Exemplare ziemlich verwirrte. Manche waren mit einer lauten Stimme gesegnet, andere dagegen nicht ganz so stimmgewaltig. Eben eine gemischte Gruppe, teilweise völlig unterschiedlich denkender Frauen.
Man wollte so gerne eine harmonische Gruppe sein, die auch mal füreinander einsteht.
So richtig wollte es noch nicht gelingen, aber alle waren gewillt einen Weg zu suchen, den man gemeinsam gehen konnte.
Plötzlich war ein begeistertes Gemurmel zu hören und alle schauten in wunderbarer Einheit auf den wunderschönen Regenbogen, der, so sah es aus, dem Mittelmeer entstieg und den Himmel erklomm. Die Farben waren sanft und schienen Geborgenheit zu vermitteln.
Die Damen sahen in diesem Regenbogen einen alten Mann mit einem Kind an der Hand. Das Kind hatte ein liebevolles Strahlen im Gesicht, so wie es nur Kinder vermochten.
Das kleine Mädchen
Das kleine Mädchen mit den goldblonden Locken ging voller Fröhlichkeit und Wärme zu jeder einzelnen Dame und umarmte sie. Es sagte kein Wort aber sein Wesen wirkte so warmherzig, dass keine Worte nötig waren.
Die Damen staunten und fühlten eine große Ruhe in sich aufsteigen, als eine Stimme sagte: „Wie soll Frieden in der ganzen Welt sein, wenn ihr wunderbaren Frauen es nicht schafft, friedlich miteinander umzugehen? Es ist nicht immer leicht, die Werte und Gefühle eines anderen Menschen zu verstehen und vielleicht sogar auszuhalten. Aber wäre es dann nicht besser, die eigenen Worte zu überdenken, bevor sie geschrieben oder gesprochen werden? Manchmal ist es ratsam, einfach nur stumm zu bleiben. Ihr müsst nicht alle Menschen lieben, aber ihr solltet sie achten. Wenn ihr euch über einen anderen Menschen ärgert und seine Wortwahl nicht versteht, dann nehmt ihn gedanklich erst einmal in den Arm, bevor ihr eure Antwort schreibt oder sprecht. Sie wird viel weicher ausfallen und trotzdem eure eigene Wahrnehmung ausdrücken“.
So plötzlich wie sich der Regenbogen gezeigt hatte, verschwand er auch wieder und mit ihm das liebevolle kleine Mädchen und der weise alte Mann.
Die Damen staunten und fragten sich, ob sie das soeben Geschehene wirklich erlebt hatten oder es nur ihren Gefühlen geschuldet war.
Man lächelte sich freundlich zu und alle bösen Worte und sogar Gedanken waren einer hellen friedvollen Verbundenheit gewichen.
Die Weihnachtszeit kommt in großen Schritten auf uns zu. Manche Menschen lieben diese Zeit, andere finden sie kitschig und vollkommen überflüssig, aber sie sollte uns eigentlich an den Sinn des Lebens erinnern. Wir sollten friedvoll und harmonisch miteinander umgehen, vielleicht mal auf unsere innere Stimme hören, die uns wahrscheinlich nur eine kleine Umarmung eines Kindes schickt oder die Worte eines weisen Mannes oder einer weisen Frau.
Es sei der Autorin gestattet, ihre Fantasie in diese Geschichte einzugeben, denn manchmal fangen so die wahren Märchen an.
Jutta Reinert
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Schwiegermütter machen dick
Mama, ab heute heißt du Oma
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Ich bin gegangen von Jutta Reinert
Corona Virus / Es ist nicht mehr so still
Viele Wochen sind nun vergangen und ein schreckliches Virus begleitet uns noch immer. Corona will noch nicht gehen und wir müssen damit leben. Keiner weiß, wie lange noch.
Nein, ich habe immer noch keine Angst, aber ein unwohles Gefühl ist geblieben.
In Spanien sind die Vorschriften jetzt nicht mehr ganz so streng. Nach den vielen Wochen, in denen wir nur zum Einkaufen das Haus verlassen durften, können wir jetzt endlich nicht nur in unserem Dorf spazieren gehen.
Mein Mann und ich sind vor Corona gerne um Mitternacht noch zu einem Spaziergang aufgebrochen. Wir lieben es, durch die leeren und ruhigen Straßen zu gehen.
Jetzt müssen wir um 23:00 Uhr wieder in unserem Haus sein. Ein wenig wie früher als wir jung waren. Mami und Papi gaben uns die Zeit vor, wann wir zu Hause zu sein hatten. Heute ist es der spanische Staat, der uns sagt, wann die Nachtruhe beginnt.
Noch vor wenigen Tagen war es ganz still auf der Straße, nur sehr selten sahen wir jemanden mit seinem Hund Gassigehen. Es war kein Auto zu sehen, aber vor allem nicht zu hören.
Plötzlich war eine Zeit angebrochen, sagen wir mal, die Corona Zeit, die mich innehalten ließ. Es war so still. Ich nahm nur die Natur wahr. Nichts störte mein kleines Stelldichein mit ihr. Alles erschien mir, trotz Corona, so friedlich. Ein kleiner Windhauch und schon sangen die Blätter an den Bäumen ein Lied. Ich hörte das Mittelmeer, das nicht weit von unserem Haus entfernt ist, seinen eigenen Gesang in die Welt geben. Ich nahm das zarte Zwitschern der Vögel auf und freute mich an ihrer sanften Melodie.
Corona kam und wir hatten wieder Zeit
Corona kam und wir hatten wieder Zeit, auf diese wundervollen Dinge zu achten. Ich war schon immer gerne in der Natur. Doch hatte ich sie vorher auch so zauberhaft wahrgenommen, wie jetzt, in unserem kleinen Garten? Ich liebe dieses kleine Stück Land, erfreue mich an den Blumen und den noch kleinen Orangen-Bäumchen. Lasse mich vom Duft der Blüten verführen und hoffe, dass ich irgendwann einige Orangen ernten werde. Aber noch nie kamen mir unser Haus und unser Garten wie eine kleine Festung vor, die mich und meine Familie vor einem unheimlichen Virus schützen muss.
Natürlich mache ich mir auch Sorgen, ob meine Lieben alles gut überstehen. Ob sie ihren Job behalten können? Die Antwort darauf ließ nicht lange auf sich warten und ich wusste, dass Corona mit seinen finanziellen Auswirkungen auch meine Familie getroffen hatte.
Mein Mann und ich haben unser Auskommen. Ja, einige finanzielle Einbrüche gibt es, aber damit können wir leben. Ich bewundere meine Kinder und meine Enkel, wie sie die Situation annehmen. Es wird nicht gemeckert oder auf die Politik geschimpft. Wenn meine Enkelin mich anstrahlt und mit mir klönt, dann geht mir das Herz auf. Unseren großen Enkel haben wir schon viele Wochen nicht mehr gesehen, obwohl er nur 100 km von uns entfernt wohnt.
Vor fünf Tagen durften wir endlich wieder zu einem Spaziergang unser Haus verlassen. Unser erster Weg führte uns zum Meer. Wir gingen wie kleine Kinder durch die Straßen, sahen uns glücklich um. Einige Häuser waren frisch gestrichen, da hatten die Eigentümer wohl die Corona-Zeit genutzt und waren im privaten Bereich sehr fleißig gewesen.
Als wir eine ehemalige Nachbarin trafen, strahlten wir uns gegenseitig, aber mit Abstand an. Kein Küsschen, keine liebe Umarmung dennoch das gute Gefühl, einen lieben Menschen zu sehen.
Am Meer atmete ich tief durch.
Es war einfach wunderbar, nach so vielen Wochen das Meer zu erblicken. Ganz langsam ging ich über den Sand hin zu „meinem“ Meer. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Durfte ich eigentlich an den Strand oder war es immer noch verboten. Trotzdem ging ich langsam Schritt für Schritte weiter. Ich genoss den leichten Wind und sah, wie sich die Wellen im Sand brachen.
Bildete ich es mir ein oder war das Wasser total klar? Hatte sich die Natur vielleicht ein wenig von uns Menschen erholt? So schnell wird es wohl nicht gehen, aber mir tat es gut, das Meer hier an unserem Strand so sauber zu sehen.
Es ist schön, wieder ein wenig spazieren gehen zu dürfen. Wir haben die Hoffnung auf die zweite Phase der Lockerungsmaßnahmen, die am Montag starten soll, um dann in ein weiteres Stückchen Freiheit zu starten.
Corona hat viel verändert und es wird in unserem Leben sicher noch mehr verändern. Menschen, die sich immer schon nah waren, sind noch näher zusammengerückt. Andere melden sich fast täglich, obwohl sie fast 2.500 km entfernt wohnen. Es sind gute Freunde, die uns schon weit über 30 Jahre begleiten. Sie haben Angst um uns, weil sie permanent hören, wie heftig Spanien vom Coronavirus erfasst wurde.
Ich bekomme liebe Nachrichten auch von Menschen, die ich nur wenig kenne, die mich aber glücklich machen. Oder wenn mir eine Freundin hübsche Fotos von ihrem süßen Enkel schickt, der in diese schwierige Zeit hinein geboren wurde. Ich freue mich darüber, dass ich durch die Fotos und kleinen Videos an der Entwicklung von so einem niedlichen Schatz teilnehmen kann. Das tut meiner Seele gut und mit solchen Erlebnissen kommt jeder von uns besser durch diese ungewöhnliche und schwere Zeit.
Wenn ich bei Facebook manche Kommentare lese, kann ich nur den Kopf schütteln und frage mich, ob intelligente Menschen wirklich so etwas glauben, was sie da so posten oder teilen. Menschen, die ich glaubte zu kennen. Allerdings bin ich der Auffassung, dass jeder seine eigene Meinung haben sollte, egal ob sie mir oder anderen gefällt. Am Anfang habe ich noch darauf geantwortet, das mache ich heute kaum noch. Ich will meine Zeit nicht mit solchen, in meinen Augen, unmöglichen Posts verschwenden. Manchmal lese ich den einen oder andern noch, aber so ein Gedankengut ist einfach nicht meins. Dann lasse ich mich eben als Schlaf-Schaf bezeichnen, wie ich es immer wieder lese, wenn jemand diese hetzerischen Posts anders beurteilt. Da kann ich gut mit leben, denn Schäfchen sind doch süß.
Keiner von uns weiß, was noch kommen wird. Keiner wird es mit Posts, in denen Hetze verbreitet wird, ändern. Aber die Schreiber und Verbreiter machen vielen Menschen mit solchen Äußerungen nur noch mehr Angst. Wir werden merken, was das Leben noch für uns bereithält.
Jetzt habe ich fast einen kleinen Roman geschrieben, was ich eigentlich gar nicht wollte. Ich hoffe, es hat euch trotzdem ein wenig Spaß gemacht, meine Gedanken zu lesen.
Alles Liebe, bleibt gesund und habt trotz allem noch Freude am Leben, denn wir haben nur dieses eine Leben.
Jutta Reinert
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Habe ich Angst? / Vor einem unheimlichen Virus.
Habe ich Angst vor einem unheimlichen Virus?
Es ist still geworden hier bei uns in Spanien. Meine Familie und ich leben in Spanien und das eigentlich sehr gerne. Lebe ich immer noch voller Freude hier, jetzt in dieser Situation? Wäre ich in Deutschland besser aufgehoben?
Ja, ich lebe immer noch gerne hier. Egal, wo ich mich befinden würde, sicher bin ich in keinem anderen Land.
Unsere Welt steht so langsam überall still.
Dieses unangenehme Virus nimmt uns unseren gewohnten Lebensraum. Wir dürfen nicht mehr auf die Straße, können keinen lieb gewordenen Spaziergang mehr machen und unsere Familie und Freunde nicht treffen.
Wieder empfinde ich es wunderbar und bin voller Dankbarkeit, dass unsere Kinder neben uns wohnen. Wir können sie sehen, mit ihnen sprechen. Umarmt haben wir uns nun schon mehr als zwei Wochen nicht mehr, denn unser Sohn und Schwiegertochter arbeiten in Firmen, die arbeiten dürfen, und treffen somit auf andere Menschen. Vorsicht kann nicht verkehrt sein. Abstand muss sein.
Meine beiden schon erwachsenen Enkelkinder sind meinem Herzen so nah. Auch wenn unser großer Enkel 100 km von uns entfernt, in Valencia lebt und leider nicht zu uns kommen kann, ist er in Gedanken immer bei mir. Wir telefonieren und schreiben uns, manchmal machen wir eine Video-Schaltung. Ich kann ihn sehen und bin in dem Augenblick unheimlich glücklich. Wenn er dann auch noch sagt: “Omi, pass ganz gut auf dich und Opa auf“, macht es mich froh. Er wird an Ostern nicht nach Hause kommen können, aber er wird dennoch bei uns sein.
Mein kleines blondes Friesenpüppchen, hat mich und ihren Opa sehr gerührt.
Inzwischen ist auch sie erwachsen. Gleich am Anfang der Ausgangssperre kam sie zu uns und sagte sehr energisch: „Ich kaufe jetzt immer für euch ein. Ich will nicht, dass euch etwas passiert. Ich will euch nämlich noch lange behalten. Ihr seid so wichtig für uns.“ Wenn sie kommt, um den Einkauf mit mir zu besprechen und mich dabei anlacht, ist es, als ob ein warmer Sonnenstrahl mich berührt.
Wie wunderbar ist es, zu merken, wie wichtig wir unserem tollen Sohn, unserer lieben (Schwieger)Tochter und unseren fürsorglichen Enkeln sind. Wobei, wir wissen es zu jeder Zeit, aber jetzt tut es besonders gut.
Heute ist der fünfzehnte Tag oder schon der sechzehnte oder siebzehnte Tag unserer auferlegten Quarantäne oder besser unserer Ausgangssperre? Plötzlich ist es überall ruhig, ganz still. Wir hören kaum noch mal ein Auto, nur die Polizei fährt durch unsere Straße. Aus dem Lautsprecher erklingt manchmal eine ernste Stimme, die uns Menschen auffordert, unsere Häuser nicht mehr zu verlassen. Das sollte inzwischen eigentlich jeder wissen und sich auch daran halten. Manchmal fahren sie auch mit fröhlicher Musik an den Häusern vorbei. Das gefällt mir und ich finde es schön. Aber ich frage mich schon, ob man mir hier gerade meine Freiheit, die Kontrolle über meinen Alltag nimmt?
In irgendeiner Weise schon, aber es ist in meinen Augen natürlich vollkommen richtig so.
Gestern schien, im leider zur Zeit ziemlich verregneten Spanien, endlich mal wieder die Sonne. Ich ging in meinen kleinen sehr hübschen Garten, sah meine blühenden Blumen und erfreute mich daran, wie die Blätter an meinem Apfel- und Birnenbaum sich leicht im Wind bewegten. Das herrlich frische Grün tat den Augen gut. Am Orangenbaum zeigen sich viele wohlriechende, feine weiße Blüten. Ich schnupperte und war fast ein wenig betäubt von ihrem lieblichen Duft.
Unser gemütlicher Relaxsessel im Garten nahm mich gerne auf, als ich mich hineinsetzte. Die weichen Polster schmiegten sich an meinen Körper. Ich schaute mir den fast schon kitschig blauen Himmel an und fühlte mich von der warmen Sonne wohlig umsorgt.
Es war so still, ungewohnt still. Keine Nachbarn waren zu hören, kein fröhliches Kinderlachen. Aber dann nahm mein Ohr das zarte Gezwitscher der Vögel wahr und ich hörte das Lied, das unser nicht weit entferntes Mittelmeer, scheinbar gut gelaunt, von sich gab. Der leichte Wind umschmeichelte meine Haut. Es tat so gut, unsere schöne Natur zu hören und zu spüren.
Leider regnet es heute wieder heftig.
Es ist, als ob der Himmel weinen würde, über das, was auf unserer schönen Welt gerade passiert.
Ich verfolge im Internet, was dort alles geschrieben wird, und wundere mich darüber, was manche Menschen so von sich geben. Da bekomme ich oft eine Gänsehaut. Haben die Verschwörungstheoretiker recht mit ihren düsteren Voraussagen? Wird es tatsächlich so schlimm kommen? Ich bleibe positiv und glaube daran, dass unsere Welt sich vielleicht verändern wird, aber auch dann müssen wir damit zu leben lernen. Was das Leben noch für uns bereit hält, weiß ich nicht, aber andere Menschen ganz sicher auch nicht.
Ich horche in mich hinein, habe ich Angst vor dem unheimlichen Coronavirus? Angst, nein Angst habe ich nicht, aber ein ungutes Gefühl.
Wir werden sehen, wie sehr so ein Virus unsere Welt verändert. Vielleicht auch uns Menschen? Denken wir anders, wenn wir diese Krise überwunden haben?
Wir wissen es heute noch nicht und können nur versuchen, alles was kommt, anzunehmen.
Ich wünsche euch trotz aller Einschränkungen eine gute und gesunde Zeit.
Jutta Reinert
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