<<< Leseprobe Roman " Schwiegermütter machen dick " >>>
An einem Abend hatte sie es sich gerade gemütlich gemacht, als es an der Haustür klingelte. Julia traute ihren Augen nicht, denn Nils Eltern standen unangemeldet vor der Tür. Ihr Herz fing an zu rasen und sie vergaß vor lauter Überraschung, ihre Schwiegereltern hereinzubitten.
„Ja, was ist nun?", sprach Frau Ehrenfeld, „sollen wir hier anwachsen, oder gibst du die Tür endlich frei?"
Julia trat mechanisch zur Seite und Frau Ehrenfeld rauschte an ihr vorbei. Noch bevor sie ihren Sohn begrüßte, schaute sie unaufgefordert in jeden Raum. „Ein ganz schöner Abstieg, mein Sohn, aber das war zu erwarten."
Nils ging auf diese Bosheit nicht ein, sondern bot seinen Eltern Platz und etwas zu trinken an. Julia war in ihrem Sessel ganz klein geworden, sie traute sich knapp die Augen zu heben und gestand sich ein, Angst vor Nils Eltern zu haben. Überdeutlich zeigten sie, dass sie mit ihr nicht einverstanden waren. Herr Ehrenfeld richtete ab und an das Wort an Julia, aber Frau Ehrenfeld überging sie völlig.
Bevor sie wieder gingen, sagte Frau Ehrenfeld: „Vater und ich haben beschlossen, euch ab sofort an jedem ersten Sonntag im Monat zu besuchen. Wir kommen gegen Mittag und bleiben bis zum Abend. Richtet euch darauf ein."
Julia wartete auf Nils Protest, aber der sagte nichts, sondern nickte nur. Er war ein anderer Mensch, wenn seine Eltern in seiner Nähe waren.
Nachdem die Eltern gegangen waren, stellte Julia Nils vorsichtig die Frage, ob seine Eltern wirklich jeden Sonntag kommen würden. „Ja, das werden sie", sagte Nils gereizt, „ist dagegen etwas einzuwenden? Deine Eltern kommen doch auch." Julia schreckte zusammen, diesen Ton war sie von Nils nicht gewohnt.
„Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn deine Eltern kommen, aber nach so starren Vorgaben?
Wir können auch mal was anderes an einem Sonntag vorhaben."
„Daran wirst du dich gewöhnen müssen, bei meinen Eltern wird alles geplant und nichts dem Zufall überlassen. Seit Jahren kommen meine Großeltern an zwei Sonntagen im Monat zu meinen Eltern. Daran hat nie jemand etwas geändert. Nun sei nicht albern, in meiner Familie geht es nicht so frei zu wie bei euch zuhause. Bei uns herrschen andere Maßstäbe und ein bisschen Ordnung hat auch niemandem geschadet."
Eine eigenartige Spannung stand plötzlich im Raum, die Julia frösteln ließ.
„Warum sprichst du so mit mir?", fragte sie mit weinerlicher Stimme, „ich habe nichts gegen deine Eltern, aber sie mögen mich nicht. Und wenn du möchtest,
dass sie an jedem ersten Sonntag im Monat kommen, werde ich mich danach richten."
Nils war aufgestanden, hinter sie getreten und begann leicht ihren Nacken zu massieren. „Ist ja wieder gut. Entschuldige bitte, dass ich dich angefahren habe. Meine Eltern erzeugen ständig eine schreckliche Atmosphäre, da werde ich immer ganz nervös."
„Das habe ich gemerkt, schrecklich, wenn du mich anfährst. Ich will mich doch mit deinen Eltern verstehen und verspreche dir, ich gebe mir alle Mühe, sie für mich zu gewinnen."
Der erste Krach, der in der Luft lag, war noch einmal an ihnen vorüber gegangen.
Zwei Tage später musste Nils zurück nach München. Julia stand auf der Straße und winkte traurig seinem Auto hinter her.
In ihrer Wohnung fühlte sie sich plötzlich völlig verloren. Sie kam sich alleingelassen vor. In ihrem bisherigen Leben war sie nie richtig allein gewesen, ständig war jemand da. Großmutter Gretchen, Dörthe oder wenigstens der kleine Jan.
Sie schaute sich in ihrer Wohnung um. Es hatte sich nichts verändert, seit Nils die Wohnung verlassen hatte. Aber irgendwie wirkte sie auf Julia jetzt kalt und ungemütlich.
Julia machte gemächlich Ordnung, hob die Sachen, die noch von Nils dalagen, auf und drückte ihr Gesicht hinein. Es war Nils blauer Pulli, den er so gerne trug. Als Julia daran schnupperte, konnte sie den herben Geruch seines Rasierwassers riechen. Dabei machte sich langsam eine leichte Angst in ihr breit. ‚Ich will nicht allein sein‘, dachte sie und sehnte sich in die Geborgenheit ihres Elternhauses zurück.
Das Telefon klingelte in ihre Gedanken hinein. In den letzten Tagen war Nils ans Telefon gegangen, jetzt musste sie selbst den Hörer abheben.
Es war für sie noch ungewohnt, sich mit ihrem neuen Nachnamen zu melden. Sie mochte diesen Namen auch nicht, er erinnerte sie zu sehr an Nils Mutter.
Als sie jetzt den Hörer aufnahm, flüsterte sie den Namen ‚Ehrenfeld’ in den Hörer. „Wer ist dort?", fragte die barsche Stimme ihrer Schwiegermutter.
„Ich bin es", antwortete Julia kleinlaut.
„Warum sprichst du so leise? Du hast doch ansonsten eine starke, metallene Stimme. Versuchst du eine gleich feine Stimme zu bekommen, wie ich sie habe?"
„Nein, ich war gerade in Gedanken."
„Wann ist dein Urlaub zu Ende?"
„Noch diese Woche fange ich wieder an zu arbeiten."
„Ich will wissen, ob du meinen Sohn auch ein anständiges Frühstück gemacht hast, bevor er nach München aufgebrochen ist. Ich hoffe, du hast ihm auch Proviant mitgegeben."
„Ja, habe ich, machen sie sich bitte keine Sorgen." Das ‚Sie' war Julia einfach so über die Lippen gekommen. Noch war ihr die Schwiegermutter fremd und sie hatte sich nicht daran gewöhnt, sie zu duzen.
„Ich werde in den nächsten Tagen mal bei dir vorbeikommen und bitte dich, mich bis dahin wieder zu duzen. Was sollen die Leute denken, wenn du deine Schwiegermutter mit ‚Sie’ ansprichst?" Der Abschiedsgruß fiel von beiden Seiten recht mäßig aus.
‚Die hat mir noch gefehlt‘, dachte Julia, und räumte die Wohnung Gedanken weiter auf. Als auch das letzte Stück wieder ordentlich an seinem Platz stand und die Wohnung blitzte und glänzte, waren weniger als zwei Stunden vergangen. Julia kam sich überflüssig vor und beschloss, sich in den Bus zu setzen und in ihr Elternhaus zu fahren.
Bei der Entscheidung ging es Julia gleich seelisch besser. Allein der Gedanke, wieder in die Geborgenheit ihres Elternhauses zurückzukehren, versetzte sie in Hochstimmung.
Ihre Mutter kam ihr mit traurigem Blick entgegen. „Es ist gut, dass du kommst, es geht Omi sehr schlecht, wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Wie geht es dir, mein Kind? Ich kann dir deine Schwangerschaft immer noch nicht ansehen und bin gespannt, wann dein Bauch anfängt zu wachsen."
„Nils meinte auch schon, es wäre kein Kind in meinem Bauch", lachte Julia. „Aber der Doktor sagt, sobald sich das Baby dreht, könne der Bauch plötzlich da sein. Es sei alles in Ordnung."
Großmutter Gretchen war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Julia setzte sich vorsichtig zu ihr ans Bett. Geistig war ihre Omi völlig da, aber ihr Körper verweigerte stetig mehr seinen Dienst.
„Julia", sagte Omi ganz leise, „schön, dass du hier bist. Ich habe nur noch wenig Zeit. Pass gut auf dich und dein Baby auf. Ich habe dich sehr lieb, aber ich muss dich nun allein lassen. Schade, dein Baby hätte ich gern gesehen."
Sie schloss erschöpft die Augen. Julia beugte sich zu ihr und küsste sie zart auf die Wange. Ein leichtes Lächeln erschien auf Großmutter Gretchens Gesicht.